Ist Poker durch und durch amerikanisch?

Auch wenn das deutsche Poch als Vorläufer des Pokerspiels gilt, ist Poker vor allem in den USA gewachsen. Zusammen mit den amerikanischen Siedlern durchlebte Poker in Amerika so manche Veränderung. Aus Draw Poker wurde schließlich Texas Hold’em, die beliebteste Variante, die aus einer texanischen Kleinstadt auszog, um die Welt zu erobern.

Tatsächlich ist das heutige Poker nicht nur in Texas erdacht worden, sondern veranschaulicht auf spielerische Weise amerikanische Ideen und Idealbilder. Insbesondere der American Dream lässt sich mit Poker relativ einfach realisieren. In wirtschaftlich unruhigen Zeiten fungiert Poker als Ankerpunkt, um diesen Traum nicht aus den Augen zu verlieren.

Eine amerikanische Erfindung

Heute wird Poker häufig als Synonym für Texas Hold’em verwendet. Geburtsstätte der nach wie vor beliebtesten Poker Variante ist die texanische Kleinstadt Robstown. Ungefähr Anfang des 20. Jahrhunderts erblickte das amerikanische Kartenspiel das Licht der Welt. Draw und Stud Poker waren bis zu diesem schicksalhaften Tag deutlich stärker verbreitet.

Tatsächlich ist Poker fast so alt wie die USA selbst. Französische Siedler führten das Spiel um das Jahr 1829 in New Orleans ein. Zu Beginn wurde nicht mit 52 Karten gespielt – wie heute bei fast allen Echtgeld Poker Spielen der Fall –, sondern mit nur 20 Karten. Ironischerweise trug im 19. Jahrhundert vor allem der Goldrausch dazu bei, dass Poker in den westlichen Bundesstaaten Aufsehen erregte.

Bereits 1875 stellte ein Autor der New York Times die Behauptung auf, dass Poker amerikanischer Nationalsport sei – nicht etwa Baseball. Dies zeigt eindrucksvoll, wie populär Poker zu dieser Zeit war. Westernfilme haben also die Wahrheit gesagt: Poker war in den Saloons des 19. Jahrhunderts das Spiel der Wahl.

Im Wilden Westen war das Pokern mit Gefahren verbunden, die über einen fehlplatzierten Bluff oder verpasste Value Bets weit hinausreichen. Revolverheld Bill Hickok wurde 1876 kurzerhand erschossen, als er beim Draw Poker ein Blatt mit zwei Paaren hielt. Heutzutage ist das Pokern in Hinterzimmern vergleichsweise ungefährlich – das Klientel ist seriöser geworden und sitzt nicht mehr bewaffnet am Tisch.

Verkörperung des American Dreams

Leitmotiv des American Dreams ist der Traum, dass jeder Mensch seines Glückes Schmied wäre, dass ein hoher Lebensstand für jeden Amerikaner erreichbar sei. Jeder Tellerwäscher könne es in den USA zum Millionär bringen, sich aus ärmlichen Verhältnissen als Selfmademan zu Reichtum emporarbeiten. Auch wenn es Beispiele für Menschen gibt, denen dieses Kunststück gelungen ist, haben die USA – vor allem heutzutage – mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie die meisten modernen Industriestaaten. Kurzum: Der soziale Aufstieg hängt stärker von der Herkunft und der sozialen Schicht ab.

In den USA nehmen viele Menschen wahr, dass der amerikanische Traum nicht mehr aufzugehen scheint. Dennoch bleibt der Glaube ans Idealbild unbeirrt bestehen. Ungeachtet der ungleichen wirtschaftlichen Verhältnisse, die an der Chancengleichheit zweifeln lassen. Poker ist ein Grund, warum der American Dream fortbesteht. Schließlich haben alle Spieler die gleiche Chance. Über Freerolls und niedrige Limits steht es jedem Amerikaner frei, sich bis zum Olymp der High-Roller hochzuspielen.

Als Chris Moneymaker 2003 das World Series of Poker Main Event für sich entschied, lebte der American Dream wieder auf. Moneymaker war ein Buchhalter aus Tennessee, der sich online mit einer Einzahlung in Höhe von 39 US-Dollar für das 10.000 Dollar teure Turnier qualifiziert hatte. Im Main Event gelang es ihm, alle Profis hinter sich zu lassen und die Siegprämie von 2,5 Millionen Dollar für sich zu beanspruchen. Dieser Sieg löste eine regelrechte Welle aus: Tausende neue Spieler fanden sich an den Online-Tischen ein und wollten der nächste Moneymaker sein. In der Nachbetrachtung wurde diese Entwicklung dem Moneymaker-Effekt zugeschrieben.

Noch während der Berichterstattung der WSOP 2003 betonten die Kommentatoren das Motiv des Selfmademans. Moneymaker wurde während des Events als Figur des Selfmademans regelrecht aufgebaut. Lon McEachron brachte es am Ende des Turniers auf den Punkt und schloss mit den Worten, Moneymaker habe bewiesen, dass es wirklich jeder schaffen könne, der nächste Poker-Weltmeister zu werden. Auch dieses glorifizierende Narrativ hat vermutlich zum Moneymaker-Effekt beigetragen, der sich in der ganzen Welt bemerkbar machte – nicht bloß in den USA.

Poker ähnelt Day Trading und Hedgefonds

Poker entspricht einem modernen Berufsbild und ist am besten mit Day Tradern oder Hedgefonds an der Wall Street zu vergleichen. All diesen Berufen ist gemein, dass sie im Kern keine „echten“ Werte erzeugen. Trotzdem gelingt es Menschen, die diese Berufe ausüben, ihren Lebensunterhalt mit der Bewegung von Geld zu sichern.

Dies zerreißt einige elementare Konzepte der Wirtschaftslehre. 1776 prägte der Ökonom Adam Smith den Begriff der unsichtbaren Hand, die positiv auf die Wirtschaft einwirke, wenn jeder an sich selbst denkt. Die Theorie geht so: Erzeugt ein Wirtschaftsteilnehmer ein Produkt, ist dieser an der Gewinnmarge vielleicht stärker interessiert als an der eigentlichen Qualität. Zieht das Produkt gegen Konkurrenzprodukte den Kürzeren, wird das Produkt aber nicht gekauft, fristet sein Dasein als Ladenhüter im Warenlager. Qualität oder moralisches Handeln resultieren somit aus dem Selbstinteresse, Geld scheffeln zu wollen.

Berufe wie Pokerspieler oder Spekulanten an der Börse brechen mit der unsichtbaren Hand. Ist ein Spieler in der Lage, vom Pokern zu leben, werden weder Güter erschaffen, noch Dienstleistungen erbracht. Würden alle Menschen erfolgreich Poker spielen, würde das Bruttoinlandsprodukt gegen null tendieren. Damit reiht sich Poker in die Riege der Wall-Street-Berufe ein, für die ein ähnliches Urteil gefällt werden könnte.

Ein ehrlicher Umgang mit der Unehrlichkeit

Im Kapitalismus sind Menschen leider oft erfolgreicher, wenn sie die Ellbogen ausfahren, willens sind, andere hinter sich zu lassen. Lug und Trug sind an der Tagesordnung. Auch beim Pokern ist das Lügen fester Bestandteil des Spiels. Poker Strategien ohne Bluffs scheitern in jedem Fall. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zum Alltag: Poker steht ehrlich zum Bluff, erklärt diesen ausführlich in der Spielanleitung.

Im gesellschaftlichen Umgang miteinander wird vordergründig vorgegeben, Werte wie Empathie oder Moral hochzuhalten – während in Wahrheit andere Werte dominieren. Im alltäglichen Poker um beruflichen Aufstieg ist der Bluff eine Geheimwaffe, die für Erfolg oft ausschlaggebend ist. Menschen, die sich dieser Erkenntnis verschließen oder diese ablehnen, behindern sich selbst – ganz gleich, wie moralisch ihr Handeln auch sein mag.

Hat trotz des Black Fridays kaum an Popularität eingebüßt

In den USA ist Poker nach wie vor ein beliebter Zeitvertreib. Und das, obwohl Poker seit dem 15. April 2011 nur noch eingeschränkt online spielbar ist. Grund für die Sperre war eine damals erfolgreiche Pokerseite, die Gelder ihrer Spieler veruntreut hatte. Infolgedessen wurde Online Poker über Nacht verboten. Dieser Tag ging als Black Friday in die Poker-Geschichte ein.

Einige Amerikaner haben das Online-Pokern nicht aufgegeben. Auf Offshore-Seiten dürfen sich Spieler aus den USA weiter anmelden. Diese Angebote gelten als recht unsicher. Wer in den USA das Pokern als Hobby oder Profession betreibt, kehrt in der Regel in den Spielbanken des Landes ein. Wahrscheinlich trägt auch der Erfolg der WSOP – die jedes Jahr Spieler aus allen Teilen der Welt begrüßt – zur Popularität des Pokerspiels bei.

Poker vereint alle sozialen Schichten

Ähnlich wie Sportvereine bringt Poker Menschen mit den unterschiedlichsten Biografien an den Tischen zusammen. An Turnieren wie dem WSOP Main Event nehmen Menschen aus sämtlichen Altersgruppen und sozialen Schichten teil. Reich und Arm drängen sich um den Tisch, wetteifern um die beste Hand. Dies ist in dieser Form einmalig. Reiche sehen Poker oft als Herausforderung, arme und junge Menschen als Chance, den amerikanischen Traum zu leben. Allen gemein ist die Leidenschaft fürs Pokerspiel, das seine Wurzeln – das sollte klar geworden sein – eindeutig in den USA hat.

https://www.studienkreis.de/englisch/american-dream-definition-geschichte/

https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-wild-bill-hickok-100.html

https://www.profil.at/home/gluecksspiel-im-handumdrehen-150608

 

 

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